Jugend und lebendige Kirche:
Aufforderung, Herz zu zeigen

Neuer Weg der Zusammenarbeit / 600 junge Leute bei Rockgottesdienst

Ein großer Rockgottesdienst in Neumarkt füllte am Sonntag die Arena der Landesgartenschau. Über 600 Menschen erlebten bei dieser ungewöhnlichen Feier die Kirche von einer sehr lebendigen Seite. Zahlreiche Mitglieder evangelischer und katholischer Jugendverbände aus dem Landkreis und Verantwortliche aus der Stadt hatten durch ihre engagierte Zusammenarbeit, in diesem Umfang nach ihrer Auskunft noch nicht da gewesen, diesen Abend ermöglicht.
 
Einzug unter Trommelwirbel
 
Am Beginn des Gottesdienstes stand der Einzug der Vorbereitungsgruppe in die Arena unter Trommelwirbel der Rockband "Unchained". Die Moderatorin, die Jugendpflegerin Martha Gottschalk aus Velburg, führte in den Gottesdienst ein. Sie erzählte, dass die Vorbereitungsgruppe festgestellt hätte, dass viele Rocklieder sehr gut die Situation von jungen Menschen beschreiben. Die Lieder zeigten die Spannung zwischen der oft ironischen Realität und dem, was die Menschen suchten. Für die Vorbereitungsgruppe sei der Glaube eine wesentliche Kraftquelle, die helfe, in dieser Spannung zu leben und aus dieser Spannung Kraft zu schöpfen. Darum dürften Rocklieder durchaus in einem Gottesdienst vorkommen.
Das Lied "Isn’t it ironic?" von Alanis Morissette brachte diese Ironie des Lebens zum Ausdruck. Es ist der Verkehrsstau, wenn man ohnehin zu spät dran ist. Es ist den Mann seiner Träume zu treffen und dann festzustellen, dass er nicht mehr solo ist. Es ist der 98jährige Mann, der im Lotto gewinnt und am nächsten Tag stirbt. In einem Anspiel zeigten Jugendliche wie eine Schülerin die Ironie des alltags vielleicht erlebt: Zuerst reicht das Geld nicht mehr für einen Imbiss, dann gibt es von der Mutter nur böse Worte wegen des Zeugnisses, die Beraterin im Arbeitsamt lacht sie nur aus, als sie nach einer Ausbildungsstelle fragt, nach einem lauten Knall ist auch noch das Fahrrad kaputt und der Freund sagt auch nur einen Satz: "Ich hab‘ keine Zeit". Gewürzt wurde das Spiel durch verschiedene Werbeslogans, die vorgaukeln, dass das Leben "einfach gut" sei. Ein Lied von STS lenkte den Blick auf das Wesentliche: "Herz muss immer Trumpf bleib’n, wenn net all’s stumpf sein soll und inhaltlos im Leb’n". Dort heißt es zum Beispiel auch: "Die einen hab’n nix als Geld im Hirn, krieg’n die Protzerei nie satt, die ander’n hüpfen gestylt und athletisch in jedes Bett der Stadt und suchen was und finden’s nie." Der katholische Pfarrer Josef Heigl (Habsberg) begann daraufhin eine Predigt übe "Liebe", wurde jedoch schnell von einer Person im Publikum unterbrochen, die ihm vorwarf, dass mit Liebe noch keiner die Welt verändern konnte. Pfarrer Heigl versuchte, dem Zweifler zu erklären, dass nur dort, wo jeder einzelne versucht in seinem Alltag die Liebe spürbar zu machen, etwas in Bewegung komme, Veränderung möglich sei. Sein Gegenüber versprach zumindest darüber nachzudenken. Nicht alle Gottesdienstbesucher hatten sofort bemerkt, dass dieser kritische Zweifler auch Pfarrer ist, nämlich der evangelische Pfarrer Stefan Berner aus Neumarkt. Das anschließende Lied "Hymn" von Barclay James Harvest war eine Art persönliches Glaubensbekenntnis in der Form eines Rockliedes. In den Fürbitten wurde dann Gott um seine Hilfe gebeten, damit die Menschen lernen, im Alltag "Herz zu zeigen". Nach einem gemeinsamen Vaterunser waren alle eingeladen, ein bisschen von dem "Herz" sichtbar zu machen, indem sie sich gegenseitig den Frieden wünschten. Der Segen de beiden Pfarrer sollte eine Zusage von Gott bedeuten, dass er die Menschen auf ihrem Weg begleitet und beschützt.
 
Rote Holzherzen verteilt
 
Während des Schlussliedes "Everybody needs somebody" wurden an alle Anwesenden kleine rote Holzherzen ausgeteilt, die daran erinnern sollen, im Alltag Herz zu zeigen. Die Gottesdienstbesucher bedankten sich mit viel Applaus bei der gesamten Vorbereitungsgruppe und der Rockband "Unchained", die sich auf das ungewöhnliche Projekt eingelassen und alle Lieder des Gottesdienstes gespielt hatte. Anschließend gab "Unchained" ein Konzert. Und so wurde gemeinsam bis zur Dunkelheit bei bester Stimmung weiter gefeiert. Die Veranstalter (Katholische Jugendsekretariate Neumarkt und Velburg, Evangelische Jugend im Dekanat Neumarkt, Jugendarbeit der Stadt Neumarkt, BDKJ Berching, Neumarkt und Velburg) und die Band "Unchained" waren sich einig, dass sich die Vorbereitungen gelohnt haben und dass so etwas irgendwann wieder einmal stattfinden sollte.

 
(aus: Neumarkter Tagblatt vom 20.07.1999)